LOOPING LIFE / Berlin, den 08.November - 31,Dezember 2013

Video:  LOOPING LIFE 2013

.

8.November – 18. Dezember 2013 / Collegium Hungaricum Berin (.CHB), Dorotheenstr. 12, 10117 Berlin

AUSSTELLUNG UND PERFORMANCE

Sieben Wochen lang präsentierte die Berliner Künstlerin und Kuratorin Sabine Kacunko im .CHB ihr Projekt LOOPING LIFE. Eröffnet wurde die Ausstellung mit der interdisziplinären Performance HIT AND RUN.  Dabei wurden Umwelteinflüsse auf Kleinstlebewesen im Blut der Künstlerin multimedial auf der Hausfassade des .CHB mittels zwei großflächigen Projektionen für Besucher live erlebbar gemacht.

Die Tänzer Mata Sakka (Sasha Waltz Company) und Joris Camelin performten nach Kacunkos Choreographie die ermittelten Bewegungsalgorithmen der Bakterien zurück in den analogen Raum.

Freitag, 8. November 2013, um 19 Uhr mit einer Einführung von Tilman Baumgärtel, Medienwissenschaftler

BLUT ALS MEDIUM DER LEBENSKRAFT

Blut gilt als Ursprung des Lebens, als Lebenskraft. Doch durch umweltbelastende Toxine können Krankheitserreger wie Bakterien entstehen, ins Blut gelangen, uns krank machen und die Artenvielfalt von Mensch und Tier gefährden. Wie die Mikroorganismen sich im Blut entwickeln, ist abhängig vom Milieu, was von der Vielfalt und vom pH-Wert geprägt ist.

Die körperfremden Substanzen sind im ‚Blutspiegel’, dem Blutplasma, messbar und reflektieren somit das Außenmilieu wieder. So wissenschaftlich und selbstverständlich das heute in unserer technisierten Gesellschaft ist, meist sehen nur Wissenschaftler über ihren Mikroskopen diese Veränderungen und Bewegungen. Den meisten anderen bleibt dieser Blick verborgen, Bakterien werden nicht als Lebewesen betrachtet, sondern als etwas, dem schnell mit Medikamenten entgegen gewirkt werden muss.

Mit multimedialen Installationen, Skulpturen, Fotografien und auf tänzerische Art setzt Kacunko sich mit der Wandelbarkeit von Bakterienformen auseinander und wagt einen Blick in das Innerste des Menschen. Dabei macht sie den Übergang vom Leben zum Tod sichtbar und damit den immerwährenden Wechsel von Erneuerung und Vergänglichkeit: die ‚Lebensschleife’ oder eben LOOPING LIFE.

BAKTERIENKUNST

Für Sabine Kacunko erlaubt die Darstellung von bakteriellen Zeitkulturen eine ganzheitliche Welt- und Lebensauffassung. Mit LOOPING LIFE erschließt sie ein interdisziplinäres Forschungsfeld und rückt die Erkenntnisse des ungarischen Arztes Ignaz Semmelweis (1818-1865) in den Fokus ihrer Arbeit: Semmelweis machte nicht nur früh Bakterien als Verursacher von Krankheiten aus, sondern wusste auch, wie sich diese durch entsprechende Hygiene verhindern ließen und sorgte so mit seiner Entdeckung dafür, das bis heute vielen Menschen das Leben gerettet werden konnte. LOOPING LIFE ist die Fortsetzung ihrer Bakterienkunst der letzten Jahre, wofür sie spezielle Darstellungsmethoden entwickelte, die auch für die Diagnostik in der Medizin oder zur Erforschung von Biofilmen genutzt werden.

Schwerpunkt des Projekts LOOPING LIFE bildet die Medieninstallation HIT AND RUN, was im Englischen einen der beiden hauptsächlichen Mechanismen von Infektionsverläufen bezeichnet. Hierbei platzierte die Künstlerin einen Bluttropfen aus der Fingerkuppe unter einem Dunkelfeldmikroskop mit Videokamera, das an einen PC angeschlossen ist. Die mikroskopischen Aufnahmen waren mit 2000facher Vergrößerung für den Besucher auf einem Monitor und weiteren Projektionsflächen sichtbar. Während der Performance führte die Künstlerin der Blutprobe unterschiedliche Substanzen zu. Die Reaktionen im Blut und die Bewegungen von winzigsten Teilchen, den Symbionten, wurden mit Hilfe einer speziell entwickelten Software in Echtzeit analysiert und sowohl optisch als auch akustisch live umgesetzt.

Das Besondere: Bild und Ton reagierten nicht nur miteinander, sie waren sogar aneinander gekoppelt und ließen ein „authentisches Soundgebilde“ entstehen, das an eine urbane Landschaftsarchitektur erinnert, immer in Bewegung und Veränderung, bis zum Blutstillstand. Projiziert auf die Fensterfront des Gebäudes bildete die Fensterscheibe nicht nur eine Membrane zwischen Innen- und Außenraum, sondern auch ein Zeitfester, in dem sich Mikro- und Makrokosmos begegneten.

Die Programmierung wurde mit RV realtime visions GmbH umgesetzt. Der Sound wurde in Zusammenarbeit mit Dr. Paul Modler, akademischer Mitarbeiter für Sound und Akustik an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, erstellt.

 

Performer: Mata Sakka (Sasha Waltz Company) und Joris Camelin

Teilnehmer: Sabine Kacunko, Künstlerin, Dr. Tilman Baumgärtel, Medienwissenschaftler und Journalist, Dr. Margarete Vöhringer, Kunstwissenschaftlerin am Zif Berlin, Dr. László Kruppa, Neurologe, Dr. Slavko Kacunko, Professor für Kunstgeschichte und Visuelle Kultur, Universität Kopenhagen

Filmvorführung und Künstlergespräch mit der Autorin Elfriede Brüning:

„Semmelweis – Retter der Mütter“ am 18. November von 19.00 bis 22.30 Uhr

Die Kuratorin und Künstlerin Sabine Kacunko stellt im Rahmen ihres aktuellen Projektes LOOPING LIFE die Berliner Autorin Elfriede Brüning vor. Die Zeitzeugin arbeitete in den Anfängen des Nationalsozialismus im kommunistischen Widerstand. Sie wurde Ende 1935 verhaftet und im Berliner Frauengefängnis Barnimstraße inhaftiert. Den Prozess wegen Landesverrats gewann sie 1937 mit einem Freispruch.

Die nationalsozialistische Machtübernahme verhinderte nicht nur 1933 das Erscheinen ihres ersten sozialkritischen Romans, sondern auch die Umsetzung des Drehbuchs für den deutschen Spielfilm „Semmelweis – Retter der Mütter“, das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann geschrieben hatte. Es kam erst nach dem Krieg 1950 zu einer Verfilmung.

Die Kuratorin und Künstlerin Sabine Kacunko stellt im Rahmen ihres aktuellen Projektes LOOPING LIFE die Berliner Autorin Elfriede Brüning vor.

Seit 1950 lebt sie als freie Schriftstellerin in Berlin. Sie ist Verfasserin von Romanen, Erzählungen, Reportagen und Fernseh-drehbüchern. Ihre, in der DDR viel gelesenen, häufig autobiographisch gefärbten Romane behandeln meist Frauenschicksale sowie den Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Dritten Reich.